Editorial DIALOG | Ausgabe 116

Basil Kerski, Chefredakteur
Basil Kerski, Chefredakteur

Es war ein geradezu prophetischer Text und ein programmatischer Aufsatz für das Magazin DIALOG. Vor über einem Jahrzehnt veröffentlichten wir Ryszard Kapuścińkis Essay „Die Begegnung mit dem Anderen als Herausforderung für das 21. Jahrhundert“ (DIALOG Nr. 69–70/2005). Wir verstanden die Reflexionen des polnischen Schriftstellers nicht allein als ein Lob der Kultur des Dialogs. Vielmehr interessierten uns die Widersprüche in den Haltungen von Menschen, die Kapuściński hervorhob. Jedes Mal, wenn der Mensch einem Fremden begegnet, unterstrich der Reporter, hat er verschiedene Möglichkeiten: der Ablehnung, des Konflikts oder der Annäherung. Die Menschheitsgeschichte zeige, so Kapuściński, dass wir nicht nur zur Abgrenzung fähig seien, sondern auch eine Kultur der Annäherung, des Respekts vor dem Anderen entwickelt haben. Diese Kultur des Dialogs könne uns helfen, den Herausforderungen des neuen Zeitalters der Globalisierung zu begegnen, stellte Kapuściński im DIALOG fest. Die Integration von Millionen von Flüchtlingen aus Nahost und Afrika ist zu einer der größten Herausforderungen für die europäischen Demokratien geworden. Sie ist sowohl ein Test für die westliche Kultur des Dialogs als auch für den Zusammenhalt Europas sowie für die politische Partnerschaft zwischen Polen und Deutschland. Die Bundesregierung versucht die schwierige Gratwanderung zwischen Willkommenskultur, europäischer Solidarität und der radikalen Begrenzung der Einwanderung. Polens neue Regierung zeigt sich zwar zu humanitärer Flüchtlingshilfe direkt an Konfliktorten bereit, doch pflegt die Regierungspartei PiS gleichzeitig Ressentiments gegenüber Muslimen und der Multikulturalität der westeuropäischen Gesellschaften. In der neuen Ausgabe unseres Magazins zeigen wir, wie differenziert der polnische Diskurs über Einwanderung ist. Marcin Żyła sieht in der kritischen Haltung gegenüber den Flüchtlingen eine kulturelle Verarmung Polens, die Nichtwahrnehmung der eigenen, reichen polnischen Migrationserfahrungen. Marta Siciarek zeigt, wie sich seit Jahren die Stadt Danzig, Politiker, Beamte und gesellschaftliche Akteure auf neue Einwohner aus anderen Nationen und Kulturen vorbereiten. Adam Balcer warnt vor antimuslimischen Vorurteilen, die Polens Partnerschaft mit dem Westen, die Zusammenarbeit mit aufgeklärten, im Westen tief verwurzelten Muslimen belasten könnte. Und schließlich werfen wir einen Blick auf Deutschland. Judith Sobczak dokumentiert das Schicksal der Nahost-Flüchtlinge, die vor einem Jahr nach Deutschland gekommen sind. Joachim Trenkner analysiert nicht bloß die politischen Folgen der Einwanderungswelle. Er erinnert vor allem daran, dass der Wohlstand und das kulturelle Reichtum der Berliner Republik im Wesentlichen Folgen der Öffnung der Deutschen gegenüber Migranten seien. Die Integration neuer Einwanderer ist eine Herausforderung, keine leichte Aufgabe für beide Seiten. Wir sollten dennoch die Chancen, die die Begegnung mit den neuen Anderen mit sich birgt, nicht vergessen.

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