Editorial DIALOG | Ausgabe 112

Basil Kerski, Chefredakteur
Basil Kerski, Chefredakteur

Anfang des Jahres meldeten europäische Medien, Mitglieder des russischen Parlaments würden erwägen, die deutsche Vereinigung als widerrechtlichen Akt einstufen zu lassen. Abgeordnete der Staatsduma dachten darüber nach, das Zusammengehen von Ost- und Westdeutschland vor 25 Jahren als Annexion zu verurteilen. Eine entsprechende Anfrage wurde, so meldete die russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass, vom Präsidenten des russischen Unterhauses an den Auswärtigen Ausschuss der Kammer weitergereicht. Die Initiative der russischen Parlamentarier ist eine Reaktion auf die massive Kritik der westlichen Gemeinschaft an der russischen Ukraine-Politik. Die Annexion der Krim durch Russland wird völkerrechtlich von der UNO und der EU nicht anerkannt. Der Anstoß des russischen Unterhauses zeigt erneut, dass führende Politiker Russlands nicht bereit sind, die neue europäische Ordnung, die nach 1989 entstanden ist und deren wichtige Bausteine die Vereinigung Deutschlands sowie die Wiedererlangung der Unabhängigkeit der Nationen Osteuropas sind, zu akzeptieren. Die russische Besetzung der Krim und die Versuche, die Souveränität der Ukraine durch einen Bürgerkrieg einzuschränken, sind Ausdruck eines für den Frieden in Europa gefährlichen Wandels in der russischen Außenpolitik. Die deutsche Wiedervereinigung war keine mit militärischen Mitteln erzwungene Annexion, sondern Folge friedlicher Revolutionen in Mitteleuropa. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, darunter die Sowjetunion, stimmten der Vereinigung zu und damit auch dem Rückzug sowjetischer Truppen aus Ostdeutschland. Moskau war damals an der Aufhebung der politischen Ordnung von Jalta, an der Überwindung der Teilung Europas gleichberechtigt beteiligt. Wir wollen auf Putins Propaganda publizistisch reagieren und erinnern in der neuen Ausgabe des DIALOG, die zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung erscheint, an den europäischen Wandel der Jahre 1989–1991. Unsere Redaktion hat drei Zeitzeugen gebeten, die Geburt der neuen politischen Ordnung Europas vor einem Vierteljahrhundert darzustellen. Joachim Trenkner, damals leitender Redakteur des Berliner Fernsehsenders SFB und heute Mitarbeiter der renommierten Krakauer Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“, erinnert sich an den Rückzug sowjetischer Truppen aus Ostdeutschland, der die Rückführung der russischen Armee aus Polen ermöglichte. Reinhold Vetter, 1990 deutscher Korrespondent in Warschau, rekonstruiert nicht nur die Verhandlungen zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges und den beiden deutschen Staaten über die Bedingungen der Einheit, sondern erinnert auch an den wichtigen deutsch-polnischen Kontext: an die endgültige rechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Und mit Markus Meckel, dem ehemaligen Außenminister der DDR und späteren Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband, kommt ein wichtiger politischer Akteur dieser Zeit zu Wort.

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