Editorial DIALOG | Ausgabe 107

Basil Kerski, Chefredakteur Deutsch-Polnisches Magazin DIALOG
Basil Kerski, Chefredakteur

 

Zwei historische Daten ziehen in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit unserer Redaktion auf sich: die friedlichen Revolutionen 1989 in Polen und der DDR sowie die EU-Osterweiterung 2004. Unter dem Motto „Für unsere und eure Freiheit“ wurde am 8. April dieses Jahres eine Gedenktafel in Leipzig enthüllt, die an die Bedeutung der Solidarność-Revolution erinnert. Sie wurde auf dem Augustusplatz angebracht, dem zentralen Ort der Leipziger Bürgerdemonstrationen vom Herbst 1989. Die Gedenktafel entstand auf Initiative des Polnischen Instituts, des Europäischen Solidarność-Zentrums und der Stadt Leipzig. Die feierliche Enthüllung der Tafel war ein wichtiges Signal für die europäische Erinnerungskultur.

Viel zu sehr entwickelt sich die Erinnerungskultur in Europa innerhalb nationaler Grenzen. Oft wird in der breiten Öffentlichkeit vergessen, wie stark politische Entwicklungen eines Landes die anderen beeinflusst haben. Seit einigen Jahren setzt Leipzig besondere Akzente auf dem Feld der politischen Kultur. Die Stadt betont nicht nur die eigene Bedeutung für die friedliche Revolution in der DDR, um so aus dem Schatten Berlins herauszutreten, sondern auch die Rolle der Nachbarländer, vor allem Polens, für den Wandel in Deutschland. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung unterstrich bei der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel die Bedeutung der Solidarność für die Entwicklung der Oppositionsbewegung in der DDR, er erinnerte daran, dass der Runde Tisch vom Frühjahr 1989 in Warschau die friedliche Revolution in der DDR mit ausgelöst hat. Wie sehr polnische und deutsche Geschichte des Jahres 1989 miteinander verbunden sind, heben die folgenden Sätze auf der Gedenktafel hervor: „Der Sieg der Solidarność stärkte die Bürgerbewegung in der DDR und trug zur deutschen Einheit bei. Polens Freiheit wiederum wurde durch die Beseitigung der SED-Diktatur und die Wiedervereinigung Deutschlands gefestigt.“ 2014 ist nicht nur ein Jahr wichtiger Jubiläen. Schon jetzt wird deutlich, dass 2014 durch die russische Annexion der Krim ein politisch bedeutendes Jahr für Europa werden wird. Wenn wir in diesen Tagen auf die Entwicklung in der Ukraine schauen und darüber nachdenken, wie wir uns als Polen und Deutsche verhalten sollen, so sollten wir eine wichtige Erfahrung des europäischen Umbruchsjahres 1989 vor Augen haben, die im letzten Satz der Leipziger Solidarność-Tafel festgehalten wurde: „Freiheit kann nur durch die Solidarität der Völker dauerhaft sein.“ 

Basil Kerski

 

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