Das Trimarium ‒ Wunschdenken oder Realpolitik?

Adam Balcer

Das Trimarium ‒ Wunschdenken oder Realpolitik? (Ausgabe 119)

Die Konzeption einer Zusammenarbeit der zwischen Adria, Ostsee und Schwarzem Meer gelegenen Länder stammt nicht erst von gestern und ist auch kein Hirngespinst aus der Ideenküche der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Sie geht vielmehr weit in polnische Geschichte und geopolitisches Denken zurück. Doch steht PiS selbst paradoxerweise dem Vorhaben am stärksten im Wege, obwohl die Partei es besonders propagiert, denn sie hat ernste Probleme mit der EU, die zwangsläufig den institutionellen Rahmen dafür bilden muss, damit solche Pläne eine Erfolgschance haben.

Die Konzeption des Trimariums (Drei-Meer-Region; polnisch Trójmorze) ist zum Markenzeichen von „Recht und Gerechtigkeit“ geworden. Sie ist abgeleitet von der älteren Idee des Intermariums oder polnisch Międzymorze, das heißt einer Zusammenarbeit zwischen den Staaten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. PiS behauptet, die Vorgängerregierung habe die regionale Zusammenarbeit völlig vernachlässigt. Dagegen wirft die Opposition PiS vor, der Gedanke des Trimariums sei ein reines Fantasiegebilde bar jeder Realität und schade den nationalen Interessen Polens. Doch wie so oft ist die Wahrheit komplizierter. Auch wenn Polen unter der PiS-Regierung sein Engagement für das Trimarium verstärkt hat, ist es für Warschau doch keine Tabula rasa.

Schon zur Zeit der Vorgängerregierung und noch früher gab es zahlreiche Initiativen zu dieser Region. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Konzeption weit in die polnische Geschichte und Geopolitik zurückreicht. Wir machen uns das klar, wenn wir Polen einmal auf einer Nord-Süd-Achse betrachten und nicht wie üblich als ein Land zwischen Ost und West. (Man sollte sich wirklich nicht krampfhaft an die Himmelsrichtungen halten, sondern einen Sinn dafür entwickeln, wie sie einander durchdringen.) Ebenso wichtig für den Erfolg des Unterfangens ist es, das Trimarium als integralen Teil Europas und besonders heute auch der Europäischen Union zu begreifen. Dabei stellt sich die Schlüsselfrage: Ist PiS als dessen wichtigster Propagator in der Lage, einen solchen Zugang dazu zu finden, also einen Zugang, der über die Visegrád-Gruppe deutlich hinausgeht und sie als integralen Bestandteil des EU-Projektes behandelt? 

Die Lehre aus Geografie und Geopolitik

Das grundsätzlichste Problem der Konzeption des Trimariums ist, dessen Grenzen festzusetzen. Am ehesten ließe sich sagen, es handle sich um die Länder auf der Nord-Süd-Achse zwischen Deutschland und Russland. Die Bezeichnung Trimarium selbst ist an die Stelle des älteren Intermariums (Ostsee und Schwarzes Meer) getreten. Dabei geht es um die Meeresgebiete Adria, Baltikum, Schwarzes Meer (poln. Morze Czarne), aus deren polnischen Initialen sich das Akronym ABC bilden lässt. Doch verhält sich die Sache keineswegs so einfach.

Im weitesten Umfang werden darin die Länder von Skandinavien bis zur Türkei eingeschlossen. Dabei bleibt offen,

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